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  • Autorenbildjohanna

Skills-Notfallkoffer bei Borderline: Wie mir meine Freundin durch meine Krise half



Mein letzter Blogbeitrag liegt beinahe 30 Tage zurück und beschreibt den Beginn einer sehr traurigen und schweren Zeit für mich. In dieser Zeit durfte ich jedoch erneut sehr viel lernen – und meine Freundin spielte dabei eine Schlüsselrolle. Mit ihrem Notfall-Set für Liebeskummer, wie die Skills bei Borderline, half sie mir, mir selbst zu helfen.


Was geschah: Krise und Kummer

Nachdem ich Ende November erfahren hatte, dass eine mögliche Beziehung zu einem Mann, den ich sehr mochte, doch nicht möglich wird, brach in mir etwas zusammen. Meine Krise startete.


Wie ich mich fühlte: Borderline und bodenlos

Ich fühlte mich plötzlich so leer und schwer und sah keinen Sinn mehr, aufzustehen. Trauerte ich zunächst um die verlorene Beziehung, merkte ich schnell, dass es mehr war.


Das Jahr 2021 war so intensiv für mich: Ich verlor drei meiner besten Freunde, hatte eine längere Krankheit, machte einen Wohnortswechsel, hatte mehrere intensive Therapien zu meinen Traumata und Borderline und durchlebte verschiedene schwierige Situationen.


Nachdem ich von der Vaterschaft meines Ex-Freundes erfahren hatte, hatte ich das Gefühl, dass mein Maß an Aushaltbarem für dieses Jahr überschritten war. Meine Seele konnte nicht mehr ertragen und so fühlte ich mich wie ein Kaktus, dem man zu wenig oder zu viel Wasser gibt: Ich fiel einfach in mich zusammen, ins Bett, in ein bodenloses Loch.


Ich konnte mir nicht mehr helfen, keine Skills zur Selbsthilfe oder Sonstiges anwenden. Ich wollte einfach nichts mehr spüren. Der Teil in mir, der flüchten wollte, wurde von mir bestärkt: Geh, hier gibt es nichts Lebenswertes mehr. Ich verlor mich.


Wie ich früher gehandelt hätte: Zerstörung und Selbstverletzung

Mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung kenne ich die breite Palette an destruktiven Verhaltensweisen und praktizierte diese sehr lange. Noch heute kämpfe ich bei Anspannung gegen den Impuls der Selbstverletzung und manchmal verliere ich.


Früher hätte ich sofort auf all diese Varianten zugegriffen: Selbstverletzung jeglicher Art, Funktionalisieren von Männern und Essen, Verachtung und Selbsthass mir selbst gegenüber, Wutanfälle und Wegstoßen von Menschen, die mir helfen wollen.


Ich hätte meine innere Leere und mein Gefühl von Hoffnungslosigkeit auf mein Äußeres und mein Außenleben projiziert und zerstört. Im außen agieren, um das innere nicht zu spüren.



Was diesmal geschah: Selbstfürsorge und Skills-Notfallkoffer

Zunächst schlug ich dieselbe Richtung ein wie damals, doch etwas in mir bremste mich. Ich fühlte mich so verletzt und verletzlich und spürte, dass ich mich selbst nicht noch mehr verletzen will. So schrieb ich meinen engsten Freunden, was passierte, zog mich zurück, weinte oder fühlte mich leer und sagte zunächst alles ab.


Ich schrieb einer Freundin, Ines, mit der ich ausgemacht hatte, dass ich mich nicht fähig fühle, das Bett zu verlassen und nur heulen könne. Sofort antwortete sie mir, dass sie das verstehe. Ich solle mir jeglichen Raum nehmen, den ich bräuchte und wenn ich reden wolle, sei sie da, sie denke an mich.


Schon diese Nachricht machte etwas mit mir, weil es mich entspannte. Sie erlaubte mir selbst, allem Raum zu geben, was war und dennoch wusste ich: Ich gehe nicht alleine durch diesen Schmerz. Am nächsten Tag schrieb sie mir eine Nachricht: Sack vor der Tür – enthalten war ein Skills-Notfallkoffer zur Selbstfürsorge.


Balsam statt Borderline: Skills-Notfallkoffer in Säckchenform

Meine Freundin brachte mir einen Notfallsack zum Trauern. Enthalten waren Dinge, dich ich besonders gern habe sowie jene, die mir durch die Trauer helfen:

  • Mandelmilch

  • Bio-Kuscheltee

  • Zeitschrift

  • Kerze mit Feuerzeug

  • Bio-Kekse

  • Bio-Kaffeedrink

  • Taschentücher

Ohne zu wissen, wie wichtig dieser Sack für mich ist, brachte mir Ines im Prinzip einen Borderline-Skills-Notfallkoffer. In dem Moment, in dem ich mich nur ohnmächtig und hilflos fühlte, gab sie mir Tools zur Seite, um für mich selbst zu sorgen.


Zunächst beschloss ich eine Tasse Tee zu trinken. Und ob es bloß die süße Verpackung, der Name "Bio-Kuscheltee" oder – wie Ines später meinte – der Hibiskus war. Ich fühlte mich mit dem ersten Schluck wohliger und geborgen. Ich begann regelmäßig die Kerze anzuzünden und an den Keksen zu knabbern. Zunehmend spürte ich mir einen Teil, der für mich sorgen wollte.


In mir entstand ein Bewusstsein, wie wichtig diese Selbstfürsorge genau jetzt war und dass es gut werden würde. Alles, was ich im vergangenen Jahr erlebte, brauchte jetzt Pflege und Zeit zu heilen. Anstatt mich wie bisher zu verletzen, abzulenken, abzuwürgen, hielt ich aus, was war und unterstützte mich selbst in diesem Prozess: Ich war für mich selbst da. So kannte ich das bisher nicht.


Heilung mit Skills und sozialem: Anspannung und Trauer annehmen

Ich gab mir fast den ganzen Dezember Zeit für diesen Prozess. Alles, was da war, durfte da sein und ich ließ es zu. Ich weinte sehr viel, ich schlief viel, ich trank sehr, sehr viel Bio-Kuscheltee. Meine FreundInnen setzten mich zu keiner Zeit unter Druck, sondern bestärkten mich: Nimm dir die Zeit, die du brauchst, wir sind da.


Zog ich mich bisher in Tiefs ganz zurück und isolierte mich, erlaubte ich es diesmal einer Freundin, mich zu besuchen. Ich weinte und sagte ihr, dass alles zu viel war. Per SMS oder Sprachnachricht teilte ich mich meinen FreundInnen mit, wenn es mir möglich war und ließ mich trösten – ich zeigte mich in allem. Auch dies war ein Schritt, den ich zuvor sehr selten wagte.


Durch die Skills und Unterstützung von außen, mir selbst zu helfen, lernte ich, anzunehmen, was ist. Und dass all das völlig in Ordnung – und menschlich ist.


Krise als Chance: Selbstliebe statt Selbstverletzung

Mit diesem Agieren geschah etwas. Ich spürte in mir eine Stärke, die ich bisher nicht wahrnahm. In mir entwickelte sich ein Teil, der für mich Verantwortung übernimmt und sich um mich gut kümmert.


Ich fühlte eine Zuversicht: Dieser Prozess – und ist es noch so schwierig – ist nötig, um zu verarbeiten, was war. Ich spürte, ich schaffe das und werde noch stärker aus dieser Krise hervorgehen: Mit Selbstliebe und Selbstfürsorge statt Selbstverletzung.


So geschah es: Ich verspüre manchmal immer noch eine Trauer, doch durch das bewusste Durchleben im Dezember kann ich den Schmerz loslassen. Ich fühle mich freier und leichter denn je, weil ich dankbar Dinge zurücklassen und Situationen abschließen darf, die nicht mehr zu mir und in mein Leben gehören.


Mein Ex-Freund schrieb mir noch einmal, doch ich ignorierte es. Ich spürte, dass ich den Kontakt und mit ihm abgeschlossen habe - zwar wünsche ich ihm alles Gute, doch nicht mehr als Teil in meinem Leben. Meine FreundInnen zeigten mir, wie ich liebevoll für mich da sein kann und ich war liebevoll für mich da. Durch diesen wichtigen und großen Schritt merkte ich:


Das habe ich verdient und so will ich behandelt werden. So will ich mich selbst behandeln.

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